Nilas Traum im Garten Eden
11.04.2024 Kinostart in Deutschland
Nilas Traum im Garten Eden
Regie: Niloufar Taghizadeh
Dokumentarfilm, 98 min, Farbe, Iran, 2023, FSK 12
Leyla und ihre sechsjährige Tochter Nila leben in der Heiligen Stadt Mashhad im Iran. Nila ist das Ergebnis einer Zeitehe, die es einem Mann erlaubt, mit einer Frau die Ehe einzugehen, auch wenn er bereits verheiratet ist. Kinder, die aus einer solchen Beziehung hervorgehen, sind rechtlich nicht existent. Solange der Vater das Kind nicht anerkennt, kann keine Geburtsurkunde ausgestellt werden, und Nila kann keine Schule besuchen. Der Dokumentarfilm schildert Leylas unermüdliche Bemühungen, Nilas Rechtsstatus zu klären, um ihr eine Perspektive für ihre Zukunft zu bieten. In einer nicht enden wollenden bürokratische Auseinandersetzung kämpft Leyla nicht nur gegen das Rechtssystem, sondern auch gegen eine verurteilende Gesellschaft.
Regisseurin Niloufar Taghizadeh hat diesen Film über drei Jahre zum Teil undercover gedreht, um die Geschichte von Nila und damit unzähligen undokumentierten Kindern im Iran zu erzählen, deren Existenz verleugnet wird.
Produktionsnotiz der Regisseurin.
Ich bin in Maschhad geboren und habe bis zu meinem 18. Lebensjahr dort gelebt. Leyla Biouk war eine Mitschülerin.
Was mich an Leyla und Nilas Geschichte beschäftigt ist, dass ein großer Teil der Gesellschaft und auch das Gesetz in Iran immer die Frau als schuldig empfindet. Es gibt sogar Gotteshäuser, die für die Zeitehe oder für Prostitution benutzt werden können, aber die Frauen zahlen den Preis dieser Freiräume. Und immer wieder erklären die Familien bei einer Vergewaltigung ihre eigenen Töchter für schuldig und bestrafen diese für das erfahrene Leid. Diese Vorkommnisse wirken surreal und unglaublich und doch ist es die bittere Realität in einer der größten schiitischen Pilgerstätte des Nahen Ostens.
Der Film handelt nicht von einer strikten Religion, sondern von einer selbstverachtenden Gesellschaft. Es geht um die tief verwurzelte Doppelbödigkeit und Frauenfeindlichkeit in der iranischen Gesellschaft, welche nicht nur einen religiösen und politischen Ursprung hat, sondern viel mehr kulturell bedingt ist. Über Jahrzehnte wurde eine Tradition des Hasses gegenüber Frauen etabliert und diese bestimmt den alltäglichen Umgang. Der Film offenbart die komplexen Zusammenhänge der iranischen Gesellschaft und dem dahinter stehenden Wertesystem und zeigt die verschiedenen Seiten.
Für mich ist „Nilas Traum im Garten Eden“ ein universeller Film über menschliche Verhaltensweisen. Marginalisierte Gruppen, besonders die der Frauen, sind nicht nur Probleme des Iran, sondern auf der ganzen Welt präsent. Im Iran werden die Konflikte durch die religiösen Gesetze verschärft und durch das Regime verdreht dargestellt und versteckt.
„Nilas Traum im Garten Eden“ ist eine poetische und zugleich kritische Dokumentation, die in ihrer Machart die abendländische und morgenländische Kultur verbindet. Mir ist es wichtig, dass der Film die Komplexität der ursprünglichen Ereignisse erzählt und gleichzeitig die Munterkeit und den Humor bewahrt, der es den Protagonistinnen und letztlich vielen IranerInnen ermöglicht weiter zu machen, im Angesicht der absurden Situationen.
Der Film erzählt nicht nur Leylas und Nilas Geschichte, er gibt gesellschaftlich Verurteilten ein Gesicht und erzählt über die Komplexität des Problems und den Anteil beider Seiten an der Dynamik – Opfer und Täter, Gesellschaft und Ausgestossene.
Ich wünsche mir, daß der Film einen Teil der Würde und Menschlichkeit, die den Frauen und Kindern genommen wurden, zurückgeben kann. Nicht als Heilige, nicht als bedauernswerte Opfer, sondern als Menschen aus Fleisch und Blut, mit Ecken und Kanten, genau wie alle anderen.